B. Fortführungsfähigkeit

Die Fortführungsfähigkeit einer Gesellschaft muss jedenfalls für zwölf Monate ab Bilanzstichtag beabsichtigt oder möglich sein (Art. 958a OR e contrario). Hierbei ist die Liquidität der entscheidende Faktor: Eine Gesellschaft, die nicht mehr liquide ist, ist unfähig ihre Geschäfte fortzuführen mit der Folge, dass sie nicht mehr zu Fortführungswerten bilanzieren darf. Entsprechend gehört zur Analyse des Ist-Zustands – noch vor der Frage des Kapitalverlusts resp. der Überschuldung – auch die Überwachung der Zahlungsfähigkeit durch den VR (Art. 725 Abs. 1 OR).

Zahlungsunfähigkeit droht sobald die fälligen Verbindlichkeiten nicht mehr mit den vorhandenen Mitteln bedient werden können und keine neuen Kredite zur Deckung aufgenommen werden können. Die einmalige verspätete Zahlung reicht in aller Regel nicht aus.

Zu Fortführungswerten darf die Gesellschaft nur solange bilanzieren, wie die Fortführung des Unternehmens als ernsthafte Möglichkeit erscheint. Befindet sich das Unternehmen trotz fehlender Überschuldung in einem Liquiditätsengpass, ist die Fortführung gefährdet, weil die Gesellschaft ihre Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen kann und die Gläubiger gestützt darauf den Konkurs der Gesellschaft veranlassen können. In diesem Fall ist eine Bewertung der Aktiven zu Fortführungswerten nicht mehr zulässig.

Muss der VR daher die Bilanzierung von Fortführungs- zu Liquidationswerten wechseln, kann dies dazu führen, dass die Gesellschaft – zu Liquidationswerten – das halbe Kapital verloren hat oder dass sie gar überschuldet ist, während sie – vor ihrer Liquiditätskrise zu Fortführungswerten – eine ausgeglichene Bilanz auswies.

 

Ausgangslage:

Aktiven

Passiven

Kontokorrent                   200’000

Bankschulden                 200’000

Maschinenpark                400’000

Aktionärsdarlehen           200’000

Patente                            200’000

AK/Reserve                     400’000

 

Gewinn/Verlust                          0

Bilanzsumme                  800’000

Bilanzsumme                  800’000

Eigenkapital: 400’000

 

Liquiditätsengpass (Bewertung zu Fortführungswerten):

Aktiven

Passiven

Kontokorrent                   100’000

Bankschulden                 200’000

Maschinenpark                400’000

Aktionärsdarlehen           200’000

Patente                            200’000

AK/Reserve                     400’000

 

Verlust/-vortrag              -190’000

Bilanzsumme                  610’000

Bilanzsumme                  610’000

Eigenkapital: 210’000

 

Liquiditätsengpass (Bewertung zu Liquidationswerten):

Aktiven

Passiven

Kontokorrent                     10’000

Bankschulden                 200’000

Maschinenpark (Liq.)      100’000

Aktionärsdarlehen           200’000

Patente (Liq.)                  100’000

AK/Reserve                     400’000

 

Verlust/-vortrag              -590’000

Bilanzsumme                  210’000

Bilanzsumme                  210’000

Eigenkapital: –190’000 (Überschuldung)

 

Diesfalls hat der VR die erforderlichen Massnahmen zu ergreifen, ggf. eine Nachlassstundung beantragen oder eine GV, verfügt diese aber weiterhin nur über ihre normalen Kompetenzen. Der VR kann daher keine Anträge zu Geschäften stellen, für deren Führung zwingend er verantwortlich ist.