bb. Pflichtverletzung
i. Allgemein
Die entscheidende Frage ist, ob eine Pflichtverletzung vorliegt. Im Mittelpunkt dieser Pflichten steht die Aufgabe des VR, die operative Leitung der Gesellschaft wahrzunehmen, für eine zweckmässige Organisation und für das Rechnungswesen zu sorgen (Art. 716a OR). Der VR darf die Gesellschaft nur Geschäfte ausüben lassen, zu denen sie organisatorisch, personell und finanziell in der Lage ist. Praktisch bedeutsam ist insbesondere die Pflichten in der Krise (Art. 725 ff. OR, z.B. Benachrichtigung des Gerichts bei Überschuldung), deren Verletzung im Konkurs oft geltend gemacht wird.
Bei der Frage, ob unsachgemässe Geschäftsentscheide eine Verantwortlichkeit auslösen können, ist Zurückhaltung auszuüben. Entscheide, die im Zeitpunkt des Zustandekommens vertretbar waren und formal richtig zustande gekommen sind, dürfen nachträglich nicht zu einer Pflichtwidrigkeit umgedeutet werden (business judgment rule). Die Risikobereitschaft, die mit jedem profitablen Geschäft verbunden ist, darf den Verwaltungsräten nicht durch den Druck allfälliger Verantwortlichkeitsprozesse genommen werden.
ii. Bei Vorliegen eines Organisationsreglements
Aufgaben, die nicht zwingend dem VR obliegen (Art. 716a OR), können nach Massgabe eines Organisationsreglements an einzelne Verwaltungsräte oder an andere Personen innerhalb der Gesellschaft delegiert werden, sofern die Statuten diese Möglichkeit nicht ausschliessen (Art. 716b Abs. 1 OR). In diesem Fall reduziert sich die Haftung des VR auf Verletzung der Pflichten zur Auswahl, Instruktion und Überwachung dieser Personen (Art. 754 Abs. 2 OR).
iii. Wirkung des Entlastungsbeschlusses
Die Décharge durch die GV wirkt nur für bekanntgegebene Tatsachen und nur gegenüber der Gesellschaft sowie gegenüber Aktionären, die dem Beschluss zugestimmt haben. Aktionäre, die sich der Stimme enthalten oder dagegen gestimmt haben, können eine Klage nur innert zwölf Monaten anheben (Art. 758 OR).