4. Anhang (Notes to Financial Statement)
Im Anhang (Art. 959c OR) werden zusätzliche Sachverhalte erläutert, die für das Verständnis der Jahresrechnung wesentlich sind. Der Anhang ist Bestandteil der Jahresrechnung. Er ergänzt und erläutert die Bilanz, Erfolgsrechnung, Geldflussrechnung sowie den Eigenkapitalnachweis (Swiss GAAP FER 6). Der Anhang dient dazu, Bilanz, Erfolgsrechnung und Mittelflussrechnung von Detailangaben zu entlasten.
a) Angabe der Rechnungslegungsmethoden (Art. 959c Abs. 1 Ziff. 1 OR)
Gemäss Art. 959c Abs. 1 Ziff. 1 OR müssen im Anhang Angaben zu den in der Jahresrechnung angewandten Grundsätzen gemacht werden, soweit diese nicht vom Gesetz vorgeschrieben sind.
Vgl. dazu Art. 959c Abs. 1 Ziff. 1 OR; Swiss GAAP FER 6 Ziff. 2.6 sowie IAS 1.117-1124 sowie IAS 8.
b) Angaben, Aufschlüsselungen und Erläuterungen zu Positionen der Bilanz und Erfolgsrechnung (Art. 959c Abs. 1 Ziff. 2 OR)
Zu den Angaben, Aufschlüsselungen und Erläuterungen gehören insbesondere auch Angaben über die Wirkungen von Fremdwährungsanpassungen, die im Periodenergebnis zu erfassen sind. Fremdwährungs positionen werden zum Devisenkurs am Bilanzstichtag eingesetzt. Der verwendete Umrechnungskurs ist im Anhang offenzulegen.
Vgl. dazu Art. 959c Abs. 1 Ziff 2 OR; Swiss GAAP FER 6; IAS 1.112 ff.
c) Gesamtbetrag der aufgelösten stillen Reserven (Art. 959c Abs. 1 Ziff. 3 OR)
Anzugeben sind der Gesamtbetrag der aufgelösten Wiederbeschaffungsreserven und der darüber hinausgehenden stillen Reserven, soweit dieser den Gesamtbetrag der neugebildeten derartigen Reserven übersteigt, wenn dadurch das erwirtschaftete Ergebnis wesentlich günstiger dargestellt wird.
d) Weitere vom Gesetz verlangte Angaben (Art. 959c Abs. 1 Ziff. 4 OR)
Gestützt auf weitere Vorschriften des Rechnungslegungsrechts sind im Anhang Angaben zu machen, zum Beispiel wenn vom Grundsatz der Fortführung abgewichen wird.
Vgl. dazu Art. 959c Abs. 1 Ziff. 4 OR; HWP, Bd. 1 IV.8.14, S. 290 f.; Swiss GAAP FER 6 Ziff. 4; IAS 1.112 ff.
e) Firma oder Name sowie Rechtsform und Sitz des Unternehmens (Art. 959c Abs. 2 Ziff. 1 OR)
Die Angabe der Firma oder des Namens und der Rechtsform und des Sitzes des Unternehmens sind notwendig, um das Unternehmen zu identifizieren und als Referenz für die Einsichtnahme in das Handelsregister.
f) Angaben zu den Vollzeitstellen (Art. 959c Abs. 2 Ziff. 2 OR)
Nach Art. 959c Abs. 2 Ziff. 2 OR sind im Hinblick auf die Differenzierungen bei der Rechnungslegung und der Revision die Vollzeitstellen anzugeben.
g) Beteiligungen (Art. 959c Abs. 2 Ziff. 3 OR)
Das geltende Recht verlangt die Angabe aller wesentlichen Beteiligungen, also die Aufschlüsselung der Bilanzzahl «Beteiligungen» in die einzelnen wesentlichen Beteiligungen und in einen Gesamtbetrag der übrigen Beteiligungen.
Vgl. dazu Art. 959c Abs. 2 Ziff. 3 OR; HWP, Bd. 1, IV.8.7, S. 285.
h) Eigene Anteile/Aktien (Art. 959c Abs. 2 Ziff. 4 und 5 OR)
Nach Art. 959c Abs. 2 Ziff. 4 und 5 OR müssen sowohl die direkt und indirekt gehaltenen Anteile als auch Erwerb und Veräusserung eigener Anteile im Anhang angegeben werden.
Vgl. dazu Art. 959c Abs. 2 Ziff 4., 5., 663b bis und 663c OR; HWP, Bd. 1, IV.8.10, S. 287; Swiss GAAP FER 24 Ziff. 7.9 sowie 26 Ziff. 9; IAS 1 sowie IAS 32.33-34.
i) Restbetrag der Verbindlichkeiten aus kaufvertragsähnlichen Leasinggeschäften
Art. 959c Abs. 2 Ziff. 6 OR schreibt vor, im Anhang den Restbetrag der nichtbilanzierten Leasingverbindlichkeiten anzugeben, sofern diese nicht innert zwölf Monaten ab Bilanzstichtag auslaufen oder gekündigt werden können (vgl. zur Bilanzierung von geleasten Aktiven).
Vgl. dazu Art. 959c Abs. 2 Ziff 6 OR; HWP, Bd. 1, IV.8.3, S. 283.; Swiss GAAP FER 6, sowie13 Ziff. 4 und 26 Ziff. 9; IAS 17.31-32 und 17.35.
j) Verbindlichkeiten gegenüber Vorsorgeeinrichtungen (Art. 959c Abs. 2 Ziff. 7 OR)
Nach Art. 959c Abs. 2 Ziff. 7 OR müssen im Anhang Angaben über Verbindlichkeiten gegenüber Vorsorgeeinrichtungen gemacht werden. Gemeint sind Schulden gegenüber der Pensionskasse gestützt auf das BVG und Schulden gegenüber den Ausgleichskassen (AHV, IV).
Vgl. dazu Art. 959c Abs. 2 Ziff. 7 OR; HWP, Bd. 1, IV.8.5, S. 284 f.; Swiss GAAP FER 16; IAS 19 sowie 26.
k) Gesamtbeträge der Sicherheiten für Verbindlichkeiten Dritter (Art. 959c Abs. 2 Ziff. 8 OR)
Art. 959c Abs. 2 Ziff. 8 OR schreibt vor, dass im Anhang der Gesamtbetrag der für Verbindlichkeiten Dritter bestellten Sicherheiten anzugeben ist. Bürgschaften, Garantieverpflichtungen und Pfandbestellungen zugunsten Dritter führen im Ergebnis zum Risiko, dass Aktiven der Gesellschaft ohne Gegenleistung abfliessen. Wird dieses Risiko akut, kann sich die Notwendigkeit ergeben, Rückstellungen zu bilden, tritt es ein, müssen die entsprechenden Forderungen passiviert resp. der Betrag der Aktiven reduziert werden.
Vgl. dazu Art. 959c Abs. 2 Ziff. 8 OR; HWP, Bd. 1, IV.8.1, S. 278 ff.; Swiss GAAP FER 5 Ziff. 2, 3 sowie 6 und 26 Ziff. 9.
l) Gesamtbeträge der zur Sicherung eigener Verbindlichkeiten verpfändeten oder abgetretenen Aktiven sowie der Aktiven unter Eigentumsvorbehalt (Art. 959c Abs. 2 Ziff. 9 OR)
Die zur Sicherung eigener Verbindlichkeiten verpfändeten oder abgetretenen Aktiven führen zu einem Verwertungsprivileg zu Gunsten einzelner Gläubiger. Das hat zur Folge, dass diese als Aktiva aufgeführten Werte nicht allen Gläubigern gleichermassen zur Verfügung stehen. Durch deren Darstellung im Anhang erkennen dies die nicht privilegierten Gläubiger.
Art. 959c Abs. 2 Ziff. 9 OR, HWP, Bd. 1, IV.8.2, S. 281 f.; Swiss GAAP FER 6 Ziff. 7 sowie 26 Ziff. 9; IAS 1.10. ff.; IAS 2.36h; IAS 16.74a; IAS 38.122d; IAS 40.75g.
m) Eventualverpflichtungen (derivative Finanzinstrumente, Abnahme- und Lieferverpflichtungen sowie ähnliche Positionen; Art. 959c Abs. 2 Ziff. 10 OR)
Verpflichtungen des Unternehmens, die zu Schulden führen, werden als Passiva in die Bilanz aufgenommen. Bei im Anhang aufzuführenden Eventualverpflichtungen, insbesondere derivativen Finanzinstrumenten, Abnahme- und Lieferverpflichtungen geht es um Pflichten, die noch nicht zu bilanzierbaren Schulden geführt haben. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn das Unternehmen mit einem Dritten vereinbart hat, dass dieser eine Sache mit Marktwert in der Zukunft zu einem festgelegten Wert übernimmt. Je nach dem, ob der zukünftige Marktwert unter oder über dem vereinbarten Veräusserungswert liegt, führt der Vertrag zu einem Vor- oder einem Nachteil des Unternehmens. Da der zukünftige Marktwert der Sache am Bilanzstichtag noch nicht feststeht und die Verpflichtung noch nicht besteht, kann der Anspruch oder die Verpflichtung nicht bilanziert werden.
Vgl. dazu Art. 959c Abs. 2 Ziff. 10 OR; Swiss GAAP FER 26 Ziff. 9 sowie 27 Ziff. 8, 20, 21; IAS 1.112 ff.
n) Beteiligungsrechte und Optionen zu Gunsten von Mitarbeitern (Art. 959c Abs. 2 Ziff. 11 OR)
Unternehmen müssen im Anhang Beteiligungsrechte und Optionen auf solche Rechte angeben, die durch Leitungs- und Verwaltungsorgane und durch übrige Mitarbeiter des Unternehmens gehalten werden.
Vgl. dazu Art. 959c Abs. 2 Ziff. 11 OR; Swiss GAAP FER 15; IAS 24.17
o) Erläuterungen zu weiteren bedeutenden oder aussergewöhnlichen Einflüssen auf die Jahresrechnung (Art. 959c Abs. 2 Ziff. 12 OR)
Erläuterungen zu weiteren bedeutenden oder aussergewöhnlichen Einflüssen auf die Jahresrechnung sind ausdrücklich im Anhang zu vermerken. Bereits im alten Recht galt diese Regel als allgemein anerkannter kaufmännischer Grundsatz.
p) Wesentliche Ereignisse nach dem Bilanzstichtag (Art. 959c Abs. 2 Ziff. 13 OR)
Unter einem Ereignis nach dem Bilanzstichtag werden vorteilhafte oder nachteilige Ereignisse verstanden, die zwischen dem Bilanzstichtag und dem Datum der Genehmigung der Jahresrechnung eintreten.
Ob ein Ereignis nach dem Bilanzstichtag im Sinn dieser Bestimmung vorliegt, bestimmt sich nach dem Zeitpunkt der Ursache, nicht nach dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme. Ereignisse sind in der Jahresrechnung zu erfassen, wenn der Auslöser des Ereignisses zur Zeit des Bilanzstichtages bereits gegeben war. Ereignisse, deren auslösende Ursache erst nach dem Bilanzstichtag eintraten, werden in der Jahresrechnung nicht erfasst) sind aber als Ereignisse nach dem Bilanzstichtag im Anhang offenzulegen, wenn sie für die Urteilsbildung des Lesers der Jahresrechnung wesentlich sind.
Art. 959c Abs. 2 Ziff. 13 OR; HWP, Bd. 1 IV.9.3, S. 301; Swiss GAAP FER Rahmenkonzept Ziff. 28; IFRS Framework QC11; IAS 1.112 ff.; IAS 10.
Dokumentation:
q) Allenfalls Gründe, die zum vorzeitigen Rücktritt der Revisionsstelle geführt haben (Art. 959c Abs. 2 Ziff. 14 OR)
Der vorzeitige Rücktritt der Revisionsstelle kann ein Indiz dafür sein, dass das Unternehmen versucht, seine wirtschafliche Lage in der Jahresrechnung besser darzustellen, als sie der Wirklichkeit entspricht und die Revisionsstelle mit diesem Vorgehen nicht einverstanden ist. Der entsprechende Hinweis im Anhang ermöglicht Dritten, diesem Verdacht nachzugehen und Aufschlüsse zu verlangen.
Vgl. dazu auch HWP, Bd. 1, IV.8.13, S. 289 f.
r) Angaben zu ausstehenden Anleihensobligationen
Unternehmen die Anleihensobligationen ausstehend haben, müssen Angaben zu deren Beträgen, Zinssätzen, Fälligkeiten und zu den weiteren Konditionen machen (Art. 959c Abs. 4 OR).
Vgl. dazu auch HWP, Bd. 1, IV.8.6, S. 285.
s) Angaben über Gegenstand und Betrag von Aufwertungen
Unter bestimmten Voraussetzungen kann Anlagevermögen über den Beschaffungswert aufgewertet werden. Gegenstand und Betrag der Aufwertungen sind im Anhang anzugeben.
Vgl. dazu auch HWP, Bd. 1, IV.8.9, S. 286.
t) Betrag der genehmigten und der bedingten Kapitalerhöhung
Vgl. dazu HWP Bd. 1, IV.8.11, S. 288; Swiss GAAP FER 6 sowie 24; IAS 1.112 ff.
u) Besondere Angaben bei Publikumsgesellschaften
(1) Vergütung
Gesellschaften, deren Aktien an einer Börse kotiert sind, haben im Anhang zur Bilanz alle Vergütungen anzugeben, die sie direkt oder indirekt an gegenwärtige und frühere Mitglieder des Verwaltungsrates und an Personen ausgerichtet haben, die vom Verwaltungsrat ganz oder zum Teil mit der Geschäftsführung betraut sind bzw. waren. Nach dem indirekten Gegenentwurf zur Minder-Initiative erfolgt die Offenlegung der Entschädigungen nicht mehr im Anhang, sondern im Vergütungsbericht (vgl. neuerdings Art. 732 ff. OR).
Vgl. dazu Art. 732 ff. OR, HWP bd. 1, IV.8.15, S. 291; Swiss GAAP FER 6; IAS 1.112 ff.
(2) Beteiligungsverhältnisse bei Publikumsgesellschaften
Gesellschaften, deren Aktien an einer Börse kotiert sind, haben im Anhang zur Bilanz bedeutende Aktionäre und deren Beteiligungen anzugeben, sofern diese ihnen bekannt sind oder bekannt sein müssten. Als bedeutende Aktionäre gelten Aktionäre und stimmrechtsverbundene Aktionärsgruppen, deren Beteiligung 5 Prozent aller Stimmrechte übersteigt (xxx). Enthalten die Statuten eine tiefere prozentmässige Begrenzung der Namenaktien (Art. 685d Abs. 1 OR), so gilt für die Bekanntgabepflicht diese Grenze.
v) Brandversicherungswerte der Sachanlagen
Im alten Recht war der Brandversicherungswert im Anhang anzugeben. Der Brandversicherungswert von Sachanlagen entspricht in der Regel dem Wiederbeschaffungswert. Bei stark abgeschriebenen oder alten Sachanlagen, die nicht auf den aktuellen Wert aufgewertet wurden, soll der Brandversicherungswert Rückschlüsse auf die Wertdifferenz zwischen dem aktivierten und dem wirklichen Wert und somit auf die Höhe der stillen Reserven ermöglichen.
Im neuen Rechnungslegungsrecht ist die Angabe der Brandversicherungswerte nicht mehr vorgesehen, weil im Brandversicherungswert kein verlässlicher Hinweis auf den wirklichen Wert liegt: Er kann zu tief sein, weil in ihm der Wert des Grundstücks nicht enthalten ist, oder zu hoch, wenn das Gebäude nur für das Unternehmen, aber nicht auch für Dritte nutzbar ist.
Vgl. dazu Art. 663b Ziff. 4 aOR; HWP, Bd. 1, IV.8.4, S. 284.
w) Aussergewöhnliche Risiken
Die Form der Abbildung von Risiken in der Jahresrechnung hängt von der Eintretenswahrscheinlichkeit ab. Aussergewöhnliche Risiken, deren Eintretenswahrscheinlichkeit gering ist, sind im Anhang aufzuführen. Diese Vorschrift gilt nach Regelwerk, aber nicht nach OR. Über aussergewöhnliche schwebende Geschäfte und Risiken (z.B. Rechtsfälle) muss im Anhang auch dann orientiert werden, wenn die Voraussetzungen für eine Rückstellung noch nicht vorliegen (Swiss GAAP FER 6 Ziff. 3).
Sobald sich die Eintretenswahrscheinlichkeit des Risikos erhöht, sind Rückstellungen zu bilden; tritt das Risiko ein, ist die sich daraus ergebende Verpflichtung zu passivieren.