aa. Befugnisse und Pflichten
Der VR geniesst alle Befugnisse und Kompetenzen, die nach Gesetz oder Statuten nicht der GV zustehen (Art. 716 Abs. 1 OR); folgende sind zwingend unübertragbar (Art. 716a OR):
- Festlegung der Organisation;
- Oberleitung der Gesellschaft und Erteilung nötiger Weisungen;
- Ernennung und Abberufung der mit der Geschäftsführung und der Vertretung betrauten Personen;
- Oberaufsicht über die mit der Geschäftsführung betrauten Personen, namentlich im Hinblick auf die Befolgung der Gesetze, Statuten, Reglemente und Weisungen;
- Ausgestaltung des Rechnungswesens, der Finanzkontrolle sowie der Finanzplanung;
- Erstellung des Geschäftsberichts sowie die Vorbereitung der GV und die Ausführung ihrer Beschlüsse;
- Einreichung eines Gesuches um Nachlassstundung und Benachrichtigung des Gerichts im Falle der Überschuldung;
- Erstellung des Vergütungsberichts bei Gesellschaften mit börsenkotierten Aktien.
Die Kompetenzen des VR gehen weiter als jene der Geschäftsführer in den Personengesellschaften: Letztere können nur über das Tagesgeschäft ohne Einbezug der anderen Gesellschafter entscheiden.
Das Gesetz statuiert in Art. 717 OR eine Sorgfalts- und Treuepflicht. Danach müssen Mitglieder des Verwaltungsrats sowie Dritte, die mit der Geschäftsführung befasst sind, ihre Aufgaben mit aller Sorgfalt erfüllen und die Interessen der Gesellschaft in guten Treuen wahren. Namentlich haben sie:
- die im Einzelfall objektiv gebotenen Handlungen vorzunehmen;
- das Mandat persönlich auszuüben (Art. 68 OR);
- die Aktionäre unter gleichen Voraussetzungen gleich zu behandeln (Art. 717 Abs. 2 OR) bzw. die Ungleichbehandlung auf sachlich gerechtfertigte Gründe und einen verhältnismässigen Rahmen zu beschränken;
- Geheimhaltungs- und Schweigepflicht zu beachten;
- das Konkurrenzverbot einzuhalten; und
- keine Insichgeschäfte (s. 5. Teil§ 22) zu tätigen.
Zuweilen sind die Gesellschaftsinteressen nicht eindeutig (shareholders vs. stakeholders). Treten Interessenkonflikte auf, sind Massnahmen zu ergreifen (z.B. Ausstand) und der VR unverzüglich zu informieren (Art. 717a OR).
Im Sinne der Vertragsautonomie steht es der AG grds. frei, welche Vergütung (Entschädigung, Honorar) sie ihren VR-Mitgliedern zukommen lässt. Dieser Aspekt ist aber problematisch, da der VR die AG vertritt und damit selbst über den eigenen Lohn verhandelt. Sonderregelungen gelten bei börsenkotierten AGs (Art. 732 ff. OR):
- GV wählt Vergütungsausschuss und stimmt über Vergütungen ab;
- VR erstellt jährlich zuhanden der GV Vergütungsbericht mit spezifische Informationen;
- Formen der Entschädigung sind untersagt (z.B. Abgangsentschädigungen).
Zusätzlich kann der VR Tantiemen beziehen.